In Europa sind rund 20 Millionen Kinder von Armut bedroht. Auch unser Nachbarland Deutschland ist betroffen, ebenso wie Österreich, in dem mehr als 20% der Kinder von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind. Deutschland und Österreich liegen zwar unter dem europäischen Durchschnitt, haben aber dennoch eine hohe Anzahl an Kindern in prekären Verhältnissen zu beklagen. Laut Statistischem Bundesamt (Deutschland) waren im Jahr 2023 rund 24 Prozent der Kinder zumindest dem Risiko von Armut ausgesetzt. Die mittlerweile nicht mehr amtierende Ampelregierung wollte das Problem mit der Einführung einer Kindergrundsicherung angehen. Mit dem Bruch der Koalition im November 2024 liegt dieses Vorhaben jedoch vorerst auf Eis.
Die aktuelle Situation
Ursprünglich sollte die Kindergrundsicherung in Deutschland im Jahr 2025 eingeführt werden. Sie sollte im Wesentlichen aus dem Kindergarantiebetrag und dem Kinderzusatzbetrag bestehen und eine bessere finanzielle Absicherung für Kinder bieten. Bis dato ist die Kindergrundsicherung in Deutschland nicht in Kraft getreten. Vermutlich wird das aufgrund des Regierungswechsels auch in den kommenden Jahren nicht geschehen. Daher sind Eltern und Kinder weiterhin auf die bisherigen existenzsichernden Leistungen des deutschen Staates angewiesen:
- Kindergeld: Diese finanzielle Unterstützung bekommen alle Eltern in Deutschland. Die Höhe der Beiträge ist gestaffelt und hängt von der Anzahl der Kinder ab.
- Kinderzuschlag: Der Kinderzuschlag wird einkommensabhängig zusätzlich zum Kindergeld bezahlt und ist für finanziell schwache Familien gedacht.
- Bürgergeld für Kinder: Für Kinder von bürgergeldberechtigten Eltern wird ebenfalls Bürgergeld ausgezahlt. Es dient zur Deckung des Lebensunterhalts.
- Kindesunterhalt: Eltern schulden ihren Kindern Unterhalt. Diese Pflicht erlischt erst, wenn das Kind sich selbst finanzieren kann und zum Beispiel einen berufsqualifizierenden Abschluss erlangt hat.
- Unterhaltsvorschuss: Diese Leistung wird vom Staat an Alleinerziehende gezahlt, wenn der andere Elternteil seine Unterhaltspflichten nicht erfüllt.
Man könnte also meinen, dass die finanzielle Absicherung für Kinder in Deutschland bereits sehr gut ist. Das bisherige System ist aber kompliziert und bürokratisch. Die oben genannten Leistungen müssen bei verschiedenen Ämtern beantragt werden. Die Kindergrundsicherung sollte alles ein wenig unkomplizierter machen und sicherstellen, dass alle Kinder die notwendigen Leistungen erhalten. Außerdem sollte die Beantragung deutlich vereinfacht werden.
Wie sollte die Kindergrundsicherung in Deutschland aussehen?
Über eine mögliche Kindergrundsicherung wurde in Deutschland bereits seit der Jahrtausendwende diskutiert. Parteien wie die Grünen, die Linke oder die SPD sowie einige Verbände brachten ihre Vorschläge ein.
Form nahm das Ganze aber erst an, als die Kindergrundsicherung in den Koalitionsvertrag der Ampel aufgenommen wurde. Sie plante einen Kindergarantiebetrag, der unabhängig vom Einkommen der Eltern gezahlt werden und damit das bisherige Kindergeld ersetzen sollte. Zusätzlich sollte es einen einkommensabhängigen Zusatzbetrag geben. Dieser sollte eine Reihe von Leistungen wie den Kinderzuschlag und das Bürgergeld für Kinder in sich vereinen.
Zunächst klingt diese Lösung nicht besonders revolutionär, sie wäre aber vermutlich vor allem für die betroffenen Familien eine große Erleichterung gewesen, denn es sollte möglich werden, dass die Leistungen der Kindergrundsicherung komplett bei der Familienkasse beantragt werden können.
Quelle – Grafik: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/07/PD24_N033_63.html
Kindergrundsicherung scheiterte an der FDP
Im September 2023 einigte sich die Ampelregierung auf einen Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung. Einer der Koalitionspartner kündigte das Vorhaben aber im Juli 2024 auf. Die FDP wollte das Projekt so nicht weiter unterstützen. Als dann die Ampel kurz darauf gänzlich zerfiel, war auch vorerst das Ende der Kindergrundsicherung gekommen.
Kommt die Kindergrundsicherung noch?
Viele deutsche Eltern fragen sich, ob es vielleicht doch noch eine Chance auf die Kindergrundsicherung in Deutschland gibt. Die Antwort könnte auch für österreichische Eltern interessant sein, die planen, in unser Nachbarland auszuwandern. Leider ist diese Frage nicht leicht zu beantworten.
Die Regierungsbildung ist in Deutschland bisher (Stand: Anfang April 2025) nicht abgeschlossen, sodass sich schwer sagen lässt, welchen Weg die mögliche Koalition aus CDU und SPD einschlagen wird. Grüne und Linke sprechen weiterhin von einer Kindergrundsicherung. Sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach aber nicht an der Regierung beteiligt sein. Zunächst wird die Idee von der Kindergrundsicherung also erst einmal in die Ferne rücken.
Auch in Österreich gibt es keine Kindergrundsicherung
Bei uns in Österreich gibt es einen ähnlichen Flickenteppich aus Leistungen für Eltern mit Kindern wie in Deutschland. Hierzulande können Sie Familienbeihilfe, den Familienbonus für Väter und Kinderbetreuungsgeld erhalten. Außerdem haben die Kinder Anspruch auf Unterhalt. Die Wohlfahrtsorganisation Volkshilfe hat aber ein Modell für eine Kindergrundsicherung entwickelt, das alle Kinder in Österreich vor Armut schützen soll. Es soll sich aus den folgenden drei Säulen zusammensetzen:
- kinderspezifische Infrastruktur
- Universalbeitrag
- einkommensabhängiger Beitrag
Ähnlichkeiten zum deutschen Modell
Der Universalbeitrag soll an alle Eltern gezahlt werden, während der einkommensabhängige Betrag vor allem finanziell schwache Familien unterstützt. Das Modell ähnelt stark dem Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung in Deutschland. Mit dem dritten Punkt zur kinderspezifischen Infrastruktur geht es sogar noch einen Schritt weiter. Dazu sollen kostenfreie Bildungsangebote, Zugang zu Freizeitangeboten und eine flächendeckende medizinische Versorgung gehören.
Ausgestaltung der Kindergrundsicherung in Österreich
Die SPÖ hat unlängst einen Vorschlag zu einer Kindergrundsicherung vorgelegt, die auf dem Modell der Volkshilfe basiert. Im neuen Koalitionsvertrag der aktuell regierenden Parteien wird auch eine Kindergrundsicherung erwähnt. Sie hat allerdings nur zwei Säulen. Die erste Säule ist der Ausbau von Sachleistungen und einer besseren Gesundheitsversorgung für Kinder. Bei der zweiten Säule geht es um die Weiterentwicklung von bereits bestehenden Transferleistungen. Wie genau das in der Realität ausgestaltet wird, bleibt abzuwarten.
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