Jede Frau ist fähig zu gebären! So einfach sich dieser Satz anhört, so kompliziert ist das hormonelle System, das dies ermöglicht und das zudem noch immer nicht gänzlich erforscht ist. Es schafft die Voraussetzungen, dass durch die Produktion weiblicher Geschlechtshormone nach der Empfängnis auch eine Geburt stattfinden kann.
Hormoneller Selbstregulationsmechanismus fördert Wehen am Ende der Schwangerschaft
Gegen Ende der Schwangerschaft produziert der weibliche Organismus das wehenfördernde Hormon Oxytozin. Dieses Hormon löst rhythmische Muskelkontraktionen in der Gebärmutter aus und wird übrigens auch während des Geschlechtsverkehrs von Mann und Frau gleichermaßen produziert. Es wird deshalb auch als Liebeshormon bezeichnet, das ein gewisses Suchtpotenzial besitzt und animalisches Verhalten auslöst. Ebenso ist es ein Schmerzhormon, denn in Verbindung mit dem Oxytozin werden gleichzeitig köpereigene schmerzstillende Substanzen in unserer Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) ausgeschüttet, nämlich Endorphine und Encephaline, körpereigene Opiate, die das Gefühl von Befriedigung, Wohlbefinden und Euphorie ermöglichen. Sie können zu einer geradezu orgastischen Verhaltensweise bei der Gebärenden führen.
Entspannung und hormoneller Selbstregulationsmechanismus während der Geburt
Sobald jedoch die Frau ihre Aufmerksamkeit nach außen richten muss oder gar Diskussionen über irgendwelche Maßnahmen führen soll, also nicht mehr ihr Unterbewusstsein und die archaischen Hirnzentren aktiv sind, sondern das intellektuelle Großhirn aktiviert wird, oder die Frau einfach Stress empfindet, also Adrenalin produziert, wird die Bildung von Endorphinen gehemmt. Eine noch relativ unbekannte Funktion hat der Neurotransmitter Serotonin, der im Gehirn, Rückenmark und nach neueren Untersuchungsergebnissen auch in den Darmschleimhäuten produziert wird. Auch dieser fördert unser Glücksgefühl und Wohlbefinden, wird aber unter Stress ebenfalls sofort gebremst. Die Geburt ist, wie seit Jahrtausenden schon, für Frauen leistbar, wenn die Gebärende ungestört ist, sie keinen Stress und somit auch keinen erhöhten Adrenalinspiegel hat, wenn sie sich wohl fühlt und liebevolle Zuwendungen erhält, insbesondere Rücken- und Bauchmassagen, wodurch sich wiederum der Serotoninspiegel erhöht.
Auch die Lieblingsmusik und der Lieblingsduft beeinflussen das sensible Reizleitungs- und Hormonsystem über das limbische System im Gehirn. Das Gedächtnis, das ebenfalls in diesen Hirnregionen sitzt, erinnert sich an die erklärenden Worte aus dem Geburtsvorbereitungskurs, und so kann die Frau sich optimal entspannen, was wiederum gute Voraussetzungen dafür schafft, dass das Wehenhormon Oxytozin bei einer gut durchbluteten Gebärmutter und einem weichen Beckenboden eine effektive Wirkung erzielen kann. Die Produktion des Wehenhormons bewirkt, wie oben bereits erwähnt, gleichzeitig eine erhöhte Ausschüttung von Endorphinen, und so wird Geburt trotz Schmerz leistbar und die Gebärende hat in der Wehenpause wieder ihren entspannten, ja gar verträumten, glücklichen Gesichtsausdruck, der uns Umstehende immer wieder verblüfft. Der Wechsel von Schmerz und Entspannung entspricht dem Naturgesetz der Polarität, auf das wir uns alle mit viel Vertrauen verlassen können. Dieses Grundgesetz, dass Gegensätze zusammengehören und sich gegenseitig bedingen, wie etwa Schmerz und Wohlbefinden, Krankheit und Gesundheit, Tag und Nacht, oben und unten, Höhen und Tiefen, rechts und links, beruht auf dem Gesetz von Plus und Minus, den Magnetfeldern dieses Planeten, die die Erde in der Umlaufbahn halten. Der polare Rhythmus des Lebens ermöglicht also auch die Geburt: Wehe – Wehenpause, lange Pause – kräftige Wehe, das ist ein ganz gesunder und lebendiger Rhythmus, der Mutter und Vater auf das Leben mit dem Kind vorbereitet, auf all die kommenden Höhen und Tiefen, die es gilt, mit diesem Gast auf Erden gemeinsam zu durchleben.
Hormoneller Selbstregulationsmechanismus verträgt keine synthetischen Hormone
Wir Hebammen wissen: So lange die Frau ihr Kind kopfgesteuert gebären will, also ihr Großhirn aktiv ist, sie viel redet und auf äußere Eindrücke reagiert, so lange ist die Geburt nicht akut. Erst wenn die Frau in ihrer Gefühlswelt angekommen ist, lieber tönt, stöhnt und auch mal mit Ihrem Mann oder der Hebamme schimpft, sich laut über sich selbst oder das Kind beschwert, dann wissen wir, jetzt wird es ernst! Ebenso wissen wir Hebammen aber auch, dass dieselbe Frau binnen kurzer Zeit am Schmerz verzweifeln kann, wenn ihr wehenfördernde Infusionen mit synthetischem Oxytozin oder Vaginalovulas mit Prostaglandinen gegeben wurden und nun ihr körpereigener Hormonhaushalt gestört wurde, die eigene Endorphinauschüttung gedrosselt ist und sie laut Schmerzmittel oder eine Narkose einfordert. Die Frau wird ihrer körpereigenen Belohnungs- und Befriedigungshormone beraubt, der Schmerz überrollt sie und der Wunsch, die Geburt einfach irgendwie beenden zu wollen, wird so übermächtig, dass auch das geburtsbegleitende Personal und der werdende Vater vergessen, dass jede Diskussion um das Thema: »Aber Sie wollten doch, Sie sagten doch, eine natürliche Geburt …« den Adrenalinspiegel und den Schmerz nur noch weiter in die Höhe treiben, dass es am Ende wirklich nicht mehr ohne PDA oder gar Kaiserschnitt unter Vollnarkose geht.
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