Die letzten zwölf Wochen dienen dem Kind zur Vorbereitung auf das Leben draußen, außerhalb des Mutterleibes. Die Entwicklung des Kindes ist so weit abgeschlossen. Es ist bald lebensfähig, bekommt noch ein schützendes Fettpolster, und seine Sinnesorgane reifen täglich zu einem perfekten System aus.
Das Baby nimmt regen Anteil am Leben der Mutter. Durch entsprechendes Verhalten teilt es ihr oft mit, dass es ihm gut geht oder dass ihm etwas unbequem ist, oft will es vielleicht mit seinen kräftigen Bewegungen auch mitteilen: Mir ist das, was ich von da draußen hören kann, etwas zu laut! Der Mutter, die vielleicht soeben aufregende Dinge erlebt, kann es durch Stillsein eventuell signalisieren: »Ich halt mich da raus, das hat mit mir nichts zu tun!« Das Kind kann nun auch schon ganz deutlich Geräusche wahrnehmen, es hört mit, es lebt mit der Mutter und ihrer Umgebung mit. Es kann sich an Musik erfreuen, aber auch über laute Töne erschrecken. Die Forschung hat mehrfach bewiesen, dass Kinder Musik, die ihnen im Mutterleib regelmäßig vorgespielt wurde, wiedererkennen, wenn sie geboren sind. Wenn das Baby gerade geschlafen hat und plötzlich laute durchdringende Geräusche in der Umgebung der Mutter zu hören sind, wird es wach werden und sein Mithören durch kräftige Bewegungen kundtun. Mit diesen Beispielen will ich zeigen, dass die Einheit Mutter–Kind schon sehr intensiv geworden ist.
Das Sinnesorgan „Nase“ wird im Mutterleib voll ausgebildet.
Auch das Riechsystem des Kindes ist mittlerweile vollkommen ausgebildet und wartet nur auf den ersten Luftkontakt, um die Sinneszellen, die seit der siebten Lebenswoche angelegt sind, nun zu nutzen und vom Zeitpunkt der Geburt an alle Geruchseindrücke in der Erinnerung zu speichern.
Ebenso ist nachgewiesen, dass das Sehen bereits im Mutterleib funktioniert und das Kind auf hell und dunkel reagiert. Es ist nicht nachtschwarz in der Umgebung des Kindes, sondern leicht purpurrot bei Sonnenschein, sofern die Mutter die Sonnenstrahlen genießen kann, denn die Strahlen von Sonne und Licht durchdringen unsere Muskulatur. Bei bewölktem Himmel, Dämmerlicht oder in der Wohnung ist es sicher mehr eine blaurote Umgebung. Unter der Bettdecke ist es dunkel, auch beim Kind in der Gebärmutter. Inwieweit das Zentrale Nervensystem bereits sämtliche Sinnesreize verwerten kann, also auch eine Schmerzwahrnehmung funktioniert, wird wissenschaftlich unterschiedlich bewertet. Für Frédérick Leboyer und Michel Odent wie auch andere Wissenschaftler jedoch gibt es hier keinerlei Zweifel, denn die dafür erforderlichen Hirnzellen, die Neuronen, entstehen bereits in der vierten Lebenswoche. Dass ein Baby unmittelbar nach der Geburt Unmut empfindet oder sich genüsslich in den Armen der Eltern räkelt, ist ja bekannt. Und so ist klar, dass das Reizleitungssystem bestens funktioniert.
Autor: Ingeborg Stadelmann
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